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Zeitungsartikel von der Tandemwoche 2006 in Traben-Trarbach

Traben-Trarbach aktiv

Die Tandemgruppe betrachtet Steinskulpturen
Die Tandemgruppe betrachtet Steinskulpturen

Die etwas anderen Fahrrad-Touristen

Bei einer zufälligen Begegnung vor 2 Jahren zwischen dem Schreiber dieser Zeilen und einem Tandem-Team aus Nürnberg ergab sich schnell eine Sympathie.

Die kleine Gruppe war ein Teil des Tandem-Clubs Franken, in dem sich blinde und sehbehinderte Menschen mit Pilotfahrern zusammen geschlossen haben, um ihrer Leidenschaft, dem Tandemfahren, zu frönen. Der Club wurde 1982 gegründet und hat ca. 50 blinde und sehbehinderte Mitglieder, dazu kommen 40 Pilotfahrer.

Nachdem sich ein reger Austausch mit dem Club ergeben hatte, entschlossen sich 23 Clubmitglieder, eine Woche nach Traben-Trarbach zu kommen. So wurde das Hotel Gräffs Mühle Ausgangspunkt für die täglichen Touren. Auch die Nähe zum Thermalbad zeigte sich beim verregneten Montag als ideal.

Zweimal wurde die Eifel "erklommen". Die Tour über Bad Bertrich, Lutzerat und Oberscheidweiler und zurück über Ürzig bleibt wohl allen Teilnehmern schon wegen des teilweisen Anstiegs von bis zu 26 % als alpine Moseltour in anhaltender Erinnerung. Die Maare-Mosel-Tour von Daun über Lieser mit ihren 100 km und stetigem Gegenwind war dagegen fast eine Erholung.

Am leider wieder verregneten Freitag erlebten sie auf der Fahrt nach Trier die "längste Waschstraße" Europas, weshalb auch kurz hinter Benkastel umgekehrt wurde.

Obwohl das Radfahren an erster Stelle bei diesem Aufenthalt stand, kümmerte sich eine kleine Gruppe von TTA für ein abwechslungsreiches Beiprogramm. Dazu zählt die etwas andere Stadtführung. So wurden die Hochwassermarken an verschiedenen Mauern ertastet, der Brandweg mit seinen vielen Stufen, der heute noch als Fluchtweg bei Hochwasser dient, erklommen, der von Anwohnern liebevoll bepflanzte Pfad wurde gerochen und entdeckt so wie die vielfachen Düfte im Bibelgarten an der Kirchentreppe. Im Hof des Traben-Trarbacher Künstlers Jürgen Waxweiler wurden die markanten Gesichtszüge seiner in Sandstein gemeißelten Skulpturen ertastet und "begriffen", was übrigens ein Anliegen des Künstlers ist: seine Werke sollen optisch und haptisch wahrgenommen werden.

Im Museum war dann noch das Hochrad mit seinen langen Vorderrad-Speichen und dem kleinen Hinterrad, zu ertasten - für eine Tandem-Konstruktion völlig ungeeignet, aber eben ein Museumsstück.

Pünktlich um 18.00 Uhr ertönte, wie jeden Tag, das Glockenspiel am Alten Stadtturm, eine Erbauung für die Ohren, und anschließend wurden alle Sinne bei der "Blindverkostung" im Weinkeller gefordert, die diese Führung abrundete.

Der Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt, der diesmal wegen des Wetters nicht im Freien sondern in der Kirche stattfand, wurde von Pfarrer Henrich unter Einbeziehung der blinden Gäste einfühlsam gestaltet. Er bleibt ebenfalls nicht nur wegen seine Länge in Erinnerung.

Anschließend zeigte Kantor Rehberg noch, was alles aus einer zwar renovierungsbedürftigen Stumm-Orgel ertönen kann. Die Teilnehmer waren dann sehr erstaunt, als sich einer der blinden Gäste nicht nur als versierter Orgel-Kenner entpuppte, sondern auch noch zum Abschluss ein Werk von Bach "blind" spielte.

In dieser vom Wetter nicht so begünstigten Mai-Woche sind sich viele Bürger dieser Stadt mit einer außergewöhnlichen Touristen-Gruppe näher gekommen und haben vieles voneinander gelernt. Das Mitfahren auf einem Tandem ermöglicht es blinden Menschen, ohne die ständige Konzentration wie bei jedem Schritt und ohne Gefahr in der Natur zu bewegen.

Man war sich am Ende einig: ein Dankeschön für die schöne Zeit!

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